IMM 2020 – Ausstellung der Zukunft des Wohnens?
Der Journalist Max Scharnigg schreibt im Kinderteil der Süddeutschen Zeitung (Ausgabe Sa/So 18./19. Januar 2020) über die Möbelmesse in Köln und erklärt den jungen Lesern an diesem Beispiel den Beruf eines Designers. Scharnigg schreibt: „Jedes Jahr versuchen sie, Möbel zu erfinden, die noch schöner und praktischer sind als die Möbel, die es schon gibt. Besonders gerne entwerfen sie Stühle.“ Das stimmt wohl und auch im Jahr 2020 zeigen namhafte Hersteller und Newcomer auf der Möbelmesse in Köln ihre Entwürfe für zukünftiges Wohnen und darunter eine unzählige Vielfalt von Stühlen. Doch ist die Messe wirklich neben ihrer Funktion als Handelsschau auch eine Ausstellung der Zukunft des Wohnens?
Oder eher ein Ausblick in die Zukunft der Branche? Wenn man die durchschnittliche Besucherzahl und somit das Interesse an den beiden von uns besuchten Messetagen schätzt, sagt das Bauchgefühl „Tendenz rückläufig“. Tatsächlich sollen die beiden Ausstellungsbereiche „Future Living“ und „Smart Village“ einen Blick in die Zukunft des Wohnens aufzeigen, nur missglückt dies bei dem Versuch, möglichst viele Produkte (u.a. Aquarien, Pflanzentröge, etc.) mit smarten App-Steuerungen und entsprechenden Screens zu versehen, die sich in ihrer kühl leuchtenden Vielzahl irgendwie negativ auf die eigentliche Wohnatmosphäre auswirken. Auch bleibt innerhalb der kleinen Ausstellung jeder exemplarische Wohnbereich (Küche, Wohn-zimmer, Bad, etc.) klassisch voneinander separiert wie eh und je. Auch „Das Haus“ trennt die Wohnbereiche klassisch voneinander und erinnert eher an das mallorquinische Ferienhaus mit rustikalem Charme, in dem stets alles aufgeräumter erscheint, als daheim.
Viel spannender ist es da, aus unserer Sicht, zu beobachten, wie manche Möbelentwürfe nicht nur das Verschmelzen der klassischen Wohnbereiche, sondern darüber hinaus generell der Bereiche Wohnen und Arbeiten, Drinnen und Draußen ankündigen. Wo sind die Entwürfe für den immer knapper werden Wohnraum in den Städten? Wo die passenden Möbel für die Tiny Houses? Auch scheint nach wie vor alles „aus dem Vollen geschnitzt“, ist der ökonomische und ökologische Einsatz der Materialien kein vordergründiges Thema. Es wäre wünschenswert, dass diejenigen in der Branche, die bereits bewusster handeln, auch mehr darüber erzählen und ihre Produktionsprozesse und -bedingungen sichtbarer machen. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Käufer unter der Vielzahl der Stuhlformen wenigstens für das Designerstück entscheiden, welches sie danach ein Leben lang begleiten wird.
Sven Benterbusch